Dienstag, 7. Juni 2011

Muss mein Welpe unbedingt in die Welpenschule / Welpengruppe gehen?

Diese Frage stellen sich viele Neuhundebesitzer. Ich möchte versuchen, diese Frage zu beantworten und grundlegende Kenntnisse einzubringen.

Meine persönliche Meinung ist, dass der Welpenkurs der wichtigste aller Kurse ist, wenn er gut geführt ist. Die Erfahrungen, die der Hund in diesem Lebensabschnitt macht, prägen ihn nachhaltig und sind im Alltag kaum herzustellen, wenn man keine gute Welpengruppe besucht. 


Dieser hier ist noch zu klein, aber bald geht es in die neue Familie und dann hoffentlich in eine Welpengruppe!

Was bedeutet dies im Detail und warum?

Der Welpe befindet sich momentan in einer Lebensphase, welche sein gesamtes späteres Leben nachhaltig beeinflussen wird. Erfahrungen, die der Welpe im Alter von drei bis (streng genommen zwölf, aber auch noch bis) zirka vierzehn Wochen macht, wird er nie wieder vergessen. Er wird allen Menschen, Tieren und  Umweltreizen neugierig und offen gegenüberstehen. Hat er Gelegenheit, positive Erfahrungen zu machen, wirken diese sein gesamtes Leben nach. Erfahrungen, die ein Welpe jetzt versäumt, kann er nicht oder nur sehr schwierig nachholen. Unbekanntes wird, wenn es später auftritt, erst einmal Unsicherheit, Angst oder als Folge Aggression auslösen. Angst verhindert Lernen oder macht das Lernen sehr schwer!

Man bezeichnet diesen Lebensabschnitt, also die dritte bis zur zirka zwölften, 13., 14. Lebenswoche als „sensible oder kritische Phase“. In dieser Zeit werden die Grundlagen für das spätere Verhalten des Hundes geschaffen. Jetzt entwickelt sich gerade das „Fundament“ des gesamten Verhaltens des Hundes – auf wackligen Beinen kann es nicht stehen, so dass möglichst viele Bereiche (allerdings immer vorsichtig, schrittweise und so schonend wie möglich) qualitativ hochwertig abgedeckt werden sollten. Eine Überstimulation kann hier leider genauso schwerwiegende Folgen haben wie eine Unterstimulation; fehlende positive Erfahrungen wirken sich oft nachhaltig aus.

Diese Zeit ist so immens wichtig und es wird leider oft versäumt, sie zu nutzen; sei es aus Kostengründen, sei es aus Lustlosigkeit oder Ignoranz. Häufig wird argumentiert: „wir treffen doch Hunde auf dem Spaziergang“ – jeder, der dies sagt, und denkt, ein zufälliges Treffen ein, zwei mal täglich für ein paar Minuten reiche aus, um den Bedürfnissen eines Hundes nachzukommen, hat noch kein Spiel unter gleichaltrigen Welpen beobachtet. Das ist etwas ganz anderes! Erwachsene Hunde, die man trifft, ignorieren die Kleinen oft und halbwüchsige Hunde möchten ihre Kräfte messen, sind also manchmal keine geeigneten Spielpartner für einen sich entwickelnden Welpen – die Gefahr von schlechten Erfahrungen ist groß. 
Ein entspanntes, weil fachgerecht kontrolliertes Spiel unter Welpen ist mit zufälligen Treffen von Hunden auf einem Spaziergang nicht zu vergleichen. Zudem herrscht vielerorts Leinenpflicht und einige Welpenbesitzer trauen sich nicht, ihren Kleinen von der Leine zu lassen; es wurde vielleicht auch noch kein Rückrufsignal aufgebaut und man ist unsicher. Spielen im angeleinten Zustand ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung von Verhaltensweisen und aufgrund des Risikos von Verletzungen durch die Leine besser zu vermeiden. 
Der Besuch einer gut geführten Welpengruppe dient der gezielten Nutzung der sensiblen Phase und somit der Förderung einer positiven Verhaltensentwicklung Ihres Hundes.

Die Trennung des Welpen von seiner Mutter und den Wurfgeschwistern führt zum Abbruch wichtiger Lern- und Entwicklungsprozesse. Regelmäßiger Kontakt zu Art- und vor allem Altersgenossen ermöglicht Ihrem Hund, diese Entwicklungsprozesse fortzusetzen und zahlreiche Erfahrungen zu machen.

Gute Welpengruppen sollten nicht mit einer so genannten Welpenschule verwechselt werden. In manchen Hundeschulen werden oft bereits mit den kleinsten Welpen eine oder eineinhalb Stunden lang nur "Kommandos" trainiert und es wird keinerlei Rücksicht auf die Konzentrationsfähigkeit der noch so jungen Hunde genommen (Welpen können sich nur sehr kurze Zeit konzentrieren – mit einem Hund sollte jedoch niemals über die Konzentrationsfähigkeit hinaus geübt werden). 
In einer guten Welpengruppe steht das kontrollierte Sozialspiel der Welpen untereinander und mit den teilnehmenden Hundebesitzern und das altersgerechte Erlernen erster Signale im Vordergrund, möglichst in gleichen Anteilen. Wir üben in unserer Welpengruppe zusätzlich auch ruhiges Warten, die Konzentration auf den Menschen trotz anwesender anderer Hunde, Möglichkeiten der Entspannung beim Anblick anderer Hunde sowie das Herausrufen aus dem Spiel in für die Kleinen angepassten Einheiten. Wichtige Themen sollten ebenfalls besprochen werden, die den Halter im Alltag häufig vor Fragen stellen.

Ein fester Bestandteil sollte also das kontrollierte Sozialspiel sein:
Im Spiel werden alle Verhaltensweisen, die für den erwachsenen Hund von großer Bedeutung sind, ohne Ernstbezug eingeübt; es dient der Sozialisation und fördert die geistige und körperliche Entwicklung eines Hundes. Soziale Fähigkeiten werden spielerisch ohne Zwang, Druck und Angst gefördert. Sie sichern einen späteren konfliktfreien Umgang der Hunde miteinander. Tieren, welchen fortlaufend der Kontakt zu Artgenossen untersagt wird und welche in einer reizarmen Umwelt aufwachsen müssen, entwickeln mit großer Sicherheit Verhaltensstörungen. „Kontrolliertes“ Sozialspiel bedeutet, dass eine qualifizierte Fachkraft das Spiel überwacht – die Schwierigkeit besteht im Zeitpunkt des Eingreifens bzw. der Kontrolle. Das Spiel sollte nicht zu früh unterbrochen werden, die Welpen sollen im Rahmen der Sozialisierung auf Artgenossen lernen, Konflikte zu vermeiden, das Spiel sollte aber auch nicht zu spät oder gar nicht unterbrochen werden. Leider gibt es Welpengruppen, in welchen nicht kontrolliert und demnach auch nicht abgebrochen wird, wenn es sein müsste. Ich finde es sehr schlimm, wenn ein Hund bereits als Welpe lernt, wie er andere drangsalieren kann, ohne gebremst zu werden und genauso schlimm, dass manchen Welpen vermittelt wird, Hundekontakte seien immer mit Angst verbunden. Auch Sie als Hundehalter sollten lernen dürfen, wann Ihr Hund unangemessen spielt bzw. was Sie tun können, wenn Ihr Hund zu grob wird oder wenn Ihr Hund gemobbt wird! Die Trainerin oder der Trainer sollte erklärend begleiten.

In guten Welpengruppen wird Ihr Hund auch mit verschiedenen Umweltreizen konfrontiert und lernt dabei, diesen angstfrei zu begegnen. Sie als Welpenbesitzer lernen, wie Sie am besten mit den Ängsten Ihres Welpen umgehen sollten, um Probleme zu verhindern. Wir versuchen, in unserer Welpengruppe die in der Welpenzeit wichtigen Reize, Themen und Übungen im Kurs unterzubringen.

Die Welpenbesitzer sollten Anleitung und praktische Hilfestellung zum richtigen und verhaltensgerechten Umgang mit ihrem Hund erhalten. Darüber hinaus sollte eine Welpenstunde Gelegenheit bieten, alle die Hundehaltung betreffenden Fragen, aber auch aktuell auftretende Probleme anzusprechen. 

Ein abgeschlossenes Gelände mit Struktur ermöglicht ein gezieltes Rückruftraining und verhindert, dass Unfälle passieren. Zudem sind die Hundebesitzer viel entspannter, wenn die oder der Kleine nicht einfach weglaufen kann. Das Gelände sollte nicht zu groß sein, da sich einige Hunde doch zurückziehen könnten und so nicht sozialisiert werden (Quelle Bundestierärztekammer)

Die Gruppengröße sollte sechs, sieben Welpen pro Trainerin oder Trainer nicht übersteigen, um alle Tiere gezielt beobachten zu können und alle Fragen beantworten zu können. Eine Trennung großer und kleiner Hunderassen ist im Hinblick auf die Verhaltensentwicklung und Sozialisierung wenig sinnvoll, aber gerade bei "gemischten" Gruppen ist eine intensive Überwachung und Kontrolle des Sozialspiels unabdingbar. Auch ein Yorkshire – Terrier kann und sollte den Umgang mit einem Rottweiler lernen dürfen und große Hunde sollten lernen dürfen, sich im Spiel mit den kleineren Rassen zu „dosieren“ – das klappt übrigens erstaunlich gut. Es ist wirklich nett, wie oft sich ein sehr harmonisches Spiel zwischen großen und kleinen Hunden entwickelt. Und es ist wichtig; wenn Hunde nicht auf die kleineren Artgenossen sozialisiert sind, zeigen sie in vielen Fällen fehlgeleitetes Jagdverhalten. Oft gibt es kleine Hunderassen, die den Umgang mit großen Rassen nicht gelernt haben und in ihrer Furcht dann zum Einsatz von aggressivem Verhalten zur Distanzierung neigen. Das alles muss nicht sein – sie sollten Ihrem Hund die Möglichkeit geben, mit allen Hunderassen kommunizieren zu können. 

Gestehen Sie Ihrem Hund aber bitte einige Tage Eingewöhnungszeit in seinem neuen Zuhause zu, bevor Sie eine Welpengruppe besuchen. Es ist in manchen Fällen auch sinnvoll, nach Impfterminen nicht direkt zur Welpengruppe zu kommen. Ganz allgemein sollte der Welpe fit, gesund und munter sein, denn sonst besteht das Risiko von falschen Verknüpfungen bzw. schlechten Erfahrungen durch eine Assoziation des Unwohlseins mit anderen Hunden.

Zur obigen Grundfrage kann ich also nur sagen, dass der Welpenkurs für das Hundeverhalten der wichtigste aller Kurse ist – wenn er denn gut geführt wird. Vieles, was Hunde erst nach dem Welpenalter betrifft, kann mit entsprechend guter Fachliteratur selbständig gelernt und trainiert werden, aber all die positiven Erfahrungen, die ein Welpe in einer guten Hundeschule machen kann, können nicht oder kaum nachgeholt werden. Andererseits sind die Erfahrungen, die ein Welpe in einer schlecht geführten Welpenschule machen könnte, ebenfalls sehr schwierig zu löschen……

Deshalb sollte sich jeder Welpenbesitzer gut informieren und sich verschiedene Anbieter ansehen – mit gesundem Menschenverstand und ausreichend Wissen wird er die richtige Gruppe für seinen Welpen finden. Eine Teilnahme an  einem Schnuppertermin ist meist auch ohne Hund möglich.

Wenn Sie sich fragen, ob Sie eine Hundeschule besuchen sollen und ab welchem Kurs dies wichtig wäre, dann sollten Sie sich auf jeden Fall mindestens für eine gute Welpengruppe entscheiden! Und es macht einfach unheimlich viel Spaß! 

Wo sind die anderen?

Übrigens ist es Humbug, erst bis zum vollständigen Tollwutimpfschutz (mit zirka 16 bis 18 Wochen) zu warten, wie es einige Züchter noch propagieren. Dann ist der „Welpe“ meist schon ein „Junghund“ und die wichtige Zeit ist verstrichen!


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